Allgemeines:
Die Polizei in NRW bedient sich seit vielen Jahren des RolleiMetric-Messverfahrens.
Ursprünglich wurde die Technik beschafft und eingesetzt für die Vermessung und Darstellung von kriminalpolizeilichen Tatorten, zumeist bei Kapitaldelikten.
Hierzu wurden im kriminaltechnischen Bereich der sechs Kriminalhauptstellen des Landes Aufnahmeteams gebildet und mit Messkameras ausgerüstet. Gleichzeitig wurde beim LKA NRW ein zentraler Tatortvermessungsdienst eingerichtet, der ebenfalls zur Tatortaufnahme herangezogen werden kann und darüber hinaus landesweit die Auswertung aller RolleiMetric-Projekte leistet.
Mittlerweile hat sich der Aufgabenbereich des Tatortvermessungsdienstes deutlich erweitert und verlagert. Zum überwiegenden Teil wird er nun zur Vermessung großer Unfallstellen, zumeist auf den BAB, herangezogen, wofür das Verfahren nachgerade ideal ist. Darüber hinaus wird RolleiMetric eingesetzt zur Tätergrößenbestimmung anhand von Überwachungsfotos, zur Rekonstruktion von Geschossbahnen und Schützenstandorten und zur Volumenbestimmung von Abraumhalden im Umweltstrafrecht. Eine Vielzahl weiterer messtechnischer Anwendungsmöglichkeiten ist denkbar.
Prinzip:
RolleiMetric besteht aus zwei unterschiedlichen Programmen / Anwendungsbereichen.
Im Programm CDW (Close Range Digital Workstation) wird auf dem Wege der Mehrbildorientierung zunächst ein dreidimensionales Gittermodell von dem zu vermessenden Objekt / Geländestück generiert. Hierzu werden Fotos aus unterschiedlicher Richtung vom Objekt gefertigt, die eine Mindestanzahl von 8 erkennbaren gemeinsamen Punkten aufweisen müssen. Weiter muss eine bekannte Referenzstrecke in einem der Fotos sichtbar markiert sein.
Die digitalen oder digitalisierten Bilddateien werden im Programm über die gemeinsamen Punkte zueinander in räumlichen Bezug gesetzt. Die jeweiligen Kamerapositionen werden errechnet und zusammen mit den dazu gehörenden Fotos virtuell im freien Raum rund um das Objekt "aufgehängt". Nun kann die Lage jedes abgebildeten Punktes über die Schnittpunkte der Sichtlinien aus mindestens zwei, besser drei Kamerapositionen bestimmt werden.
Prinzipiell kann jeder Punkt, der für eine Vermessung erforderlich ist, so bestimmt werden; etwa alle relevanten Unfallspuren. Das ist bei hohem Spurenaufkommen aber recht arbeitsaufwändig. Daher wird mittels CDW meistens nur die Form oder Oberfläche eines Objektes generiert, etwa die Fahrbahnoberfläche oder die Gebäudestruktur eines Innentatortes.
Anschließend kommt das RolleiMetric-Programm MSR (Metric Single Image Rectification) zum Einsatz, eine kompatible Monobildentzerrung. Hier wird das zuvor in CDW generierte Gittermodell als dreidimensionale Passpunktfigur unterlegt und nun verschiedene Spurenfotos als maßhaltig entzerrte Fototextur auf Fahrbahnoberfläche, Wände oder Fußböden appliziert.
Das Ergebnis ist ein dreidimensionaler virtuelle Tat- oder Unfallort, der wahlweise das Erstellen einer maßhaltigen fotografischen Draufsicht (Orthofoto) oder einer Vektorzeichnung ermöglicht, aber auch Grundlage für Videoanimationen sein kann.
Genauigkeit / Kameras:
Die Präzision von RolleiMetric hängt direkt ab von den verwendeten Kameras, da zur Errechnung der Kamerapositionen die Parameter der inneren Orientierung (Brennweite, Kamerahauptpunkt, Linsenverzeichnung pp) benötigt werden.
In NRW wird daher ausschließlich mit metrischen Messkameras gearbeitet. Im Einsatz sind die analoge Rolleiflex 3002 Metric (Kleinbild) und verschiedene digitale Modelle der Rollei-D-Serie. Die Mess- und Korrekturdaten aller existenten Messkameras sind in einer Datenbank im Programm enthalten, sodass die der jeweils benutzten Kamera in die Berechnung einfließen. Bei Verwendung von Rollei- Messkameras wird eine Abweichung von maximal 3 cm auf 100 m Spurenlänge gehalten.
Möglich ist auch die Verwendung herkömmlicher, nicht kalibrierter Kameras, die Genauigkeit leidet hierbei allerdings stark. Eine bessere Möglichkeit ist die Kalibrierung handelsüblicher Kameras über ein programmeigenes Kalibriersystem, das die Abweichungen "normaler Kameras" in gewissen Grenzen hält.
Letztlich können "Amateurfotos" durch nachträgliches Vermessen der Unfallstelle mit einer Messkamera verwertet werden; eine Technik, die bei der Tätergrößenbestimmung anhand von Überwachungskameras angewendet wird.
Anwendung bei der VU-Aufnahme:
In NRW wird ab einer gewissen Dimension (große Spurenlage, schwere Unfallfolgen, besondere technische Schwierigkeiten) der Tatortvermessungsdienst des LKA NW zur Unfallaufnahme hinzu gezogen. Das Aufnahmeteam reist gewöhnlich per Hubschrauber an.
Während die Spurensuche, -markierung und -bezeichnung grundsätzlich Aufgabe der anfordernden Polizei ist, setzt das einfliegende LKA-Team die erforderlichen Referenzpunkte und strecken, kontrolliert und verbessert ggf. die Spurenmarkierung. Anschließend erfolgt vom Hubschrauber aus die Messfotografie, bei der zunächst im Rundumflug die Orientierungsfotos für CDW und anschließend im seitlichen Überflug die Spurenfotos für die MSR-Anwendung gefertigt werden.
Vor- und Nachteile:
Das RolleiMetric-System erreicht eine sehr hohe Genauigkeit.
Durch minimale Messarbeit im Feld ist der erforderliche Zeitaufwand für die Durchführung am Unfallort sehr gering. Hierzu trägt freilich auch die optimale Kamerahöhe durch Verwendung eines Hubschraubers entscheidend bei.
Das Programm ist vielseitig in der Anwendung und äußerst anschaulich in der Ergebnisgestaltung.
In NRW muss für den Einsatz von RolleiMetric ein Sonderdienst angefordert werden, was zur Tageszeit allerdings ohne großen Zeitverzug möglich ist.
Während der Dunkelheit kann kein Hubschraubereinsatz erfolgen. Hier wäre der Einsatz von Hochstativen oder Leiterwagen der Feuerwehr denkbar, es wird aber vorgezogen, die Spurenlage dauerhaft zu markieren, um dann am folgenden Tag die Unfallstelle erneut kurz zu sperren und das Verfahren aus dem Hubschrauber anzuwenden.
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