vorgetäuschte Unfallfluchten

Spezialthema: vorgetäuschte Unfallfluchten

Während meiner Tätigkeit als Unfallsachbearbeiter und somit Unfallfluchtenermittler ist mir aufgefallen, dass angezeigte Verkehrsunfallfluchten relativ häufig vorgetäuscht sind und nicht dem Hergang entsprechen, wie er bei der Polizei vorgetragen wurden.

Aus diesem Grund möchte ich dieses Thema etwas näher beleuchten und anhand von Beispielfällen aufzeigen, in welchen Formen diese "vorgetäuschten Unfallfluchten" auftreten können.

Häufiges Motiv der beteiligten Personen ist die Unwissenheit über die Entschädigungsmodalitäten der Kraftfahrzeugversicherungen und viel häufiger die Peinlichkeit oder das unschöne Gefühl, selbst einen Schaden verursacht zu haben.

Die Personen, die in meinen Fällen eine Schadensverursachung nicht zugeben wollten, gehörten zu den nachfolgend aufgezählten Personengruppen:

- Fahranfänger (die das Fahrzeug der Eltern benutzen und einen Eigenschaden verbergen wollen)

- Senioren (die gegenüber Angehörigen oder Behörden ihre Ungeeignetheit zur Teilnahme am Straßenverkehr nicht darlegen wollen)

- Berufskraftfahrer oder Fahrlehrer (die im Kollegenkreis / gegenüber dem Chef nicht zugeben möchten, selbst einen Schaden verursacht zu haben)

- Kunden eines Leihwagens (die bei der Rückgabe gegenüber der Autovermietung den Schaden nicht übernehmen wollen)

Fallbeispiel 1:

Eine Mutter zeigte auf einer benachbarten Polizeidienstelle (Wohnsitz der Fahrzeughalterin) eine Verkehrsunfallflucht an. Ihr 18-jähriger Sohn durfte während der Urlaubsabwesenheit der Eltern das Auto der Mutter benutzen. Nach Rückkehr aus dem Urlaub war der Pkw unfallbeschädigt. Die Story des Sohnes gegenüber der Mutter: er habe den Wagen vor einer Sporthalle abgestellt und nach Rückkehr den Schaden bemerkt. Da der Sohn diese angebliche Unfallflucht nicht bei der Polizei angezeigt hatte, holte es die Mutter (in Unwissenheit des wahren Herganges) bei ihrer Wohnsitzdienststelle nach.

Bei Betrachtung der Fotos, die der mir zur Bearbeitung vorgelegten Akte beilagen, kamen sofort Zweifel auf. Dieses Schadensbild (siehe nachfolgende Fotos) konnte kein herkömmliches Fahrzeug verursacht haben. Neben den groben und massiven Raspelspuren waren rücklaufende Spuren erkennbar; als wenn dieser Wagen selbst in Bewegung war und dabei vorwärts- und wieder zurückgefahren wurde.

Nachdem ich die Lackiererei aufsucht hatte (der Wagen war bereits in Reparatur; ich konnte nur die ausgebaute Tür sicherstellen), suchte ich die Mutter auf und konfrontierte diese mit meinem Verdacht. Da der Sohn nicht anwesend war, konnte die Mutter keine weiteren Angaben machen. Noch am selben Tag erschienen Mutter mit Sohn auf der Dienststelle. Der Sohn gab zu, die Unfallflucht gegenüber der Mutter vorgetäuscht zu haben, da es ihm peinlich war, als Fahranfänger einen Schaden verursacht zu haben.

Was war wirklich passiert: er fuhr mit dem Wagen seiner Mutter auf das Parkdeck eines Einkaufsmarktes und streifte beim Einparken mit der rechten Fahrzeugseite den Stützpfeiler aus Beton (daher die groben Raspelspuren). Als er den Anstoß bemerkte, stoppte er und setzte den Wagen zurück (daher die rücklaufenden Spuren).

Ich suchte das Parkdeck auf und konnte hier entsprechende Spuren feststellen (siehe nachfolgendes Foto links und Fotocollage rechts).

Fallbeispiel 2:

Dieser Fall ist eigentlich ein Klassiker: der Schutzplanken-Touchierer. Der Fahrer eines Leihwagens kommt auf die Wache, um eine Unfallflucht an seinem gemieteten Wagen anzuzeigen. Er habe längere Zeit auf einem Parkplatz gestanden und nach Rückkehr konnte er die Schäden an der Fahrerseite feststellen.

Bereits bei der Schadensbesichtigung kamen erste Zweifel auf (Foto unten links).

Neben dem homogenen, fast waagerecht verlaufenden Schadensbild fielen zwei kreisrunde Stanzmarken auf (rechtes Foto).

Insgesamt sah das Schadensbild stark nach einer Schutzplankenkollision aus. Neben den waagerechts verlaufenden Planken zeichneten sich im Schadensbereich die Befestigungsschrauben mit Flachkopfschrauben ab. Klarheit erbrachten Vergleiche mit einer möglichst baugleichen Schutzplanke.

Der Fahrer blieb zunächst beharrlich bei seiner Behauptung und bestätigte diese in einer Vernehmung. Erst nach einigen Tagen, Rücksprache mit einem Freund und der fortgeschrittenen Ermittlung knickte der Fahrer ein und gab zu, auf einer Autobahn nach links von der Fahrbahn abgekommen zu sein und eine Mittelschutzplanke touchiert zu haben.

Fallbeispiel 3:

Ähnlich verhält es sich in diesem Fall. Auch bei dieser angezeigten Unfallflucht hatte ich von Anfang an den Verdacht, dass der Wagen Kontakt mit einer Schutzplanke hatte und die VU-Flucht aus nicht bekannten Gründen vorgetäuscht wurde.

Fotocollage zur Darstellung der Schadensherkunft

Da der Fahrer bei seiner Behauptung blieb und auch die mögliche Unfallstelle nie gefunden wurde, blieb es beim Verdacht. Das Verfahren wegen "vortäuschen einer Straftat" wurde später eingestellt.

Fallbeispiel 4:

Höchst interessant war dieser Fall. Ein Senior wollte eine Unfallflucht an seinem Wagen anzeigen. Er will nach Rückkehr zu seinem geparkten Wagen den unten abgebildeten Schaden am rechten Außenspiegel festgestellt haben. Nach Besichtigung des außergewöhnlichen Schadensbildes kamen Zweifel auf. Ich nahm den Schaden auf und eine Vernehmung mit wiederholten Belehrungen durchgeführt.

Am nächsten Tag suchte ich die Wohnanschrift des Fahrers auf. Ich brauchte nicht nur einige Angaben zum Vorgang, sondern schaute mich bei der Gelegenheit auch gleich auf dem Grundstück um. Mir fiel sofort eine Garage mit geöffnetem Tor auf. Ein Strebe zum Garagentor befand sich genau in der Höhe, in der sich auch der Schaden am rechten Außenspiegel befand. Ein Abgleich brachte Klarheit: die Strebe war das schadensverursachende Kollisionsobjekt.

Der Senior ist beim Rangieren aus der Garage mit dem Außenspiegel an der Strebe hängengeblieben. Eigentlich nichts Schlimmes. Allerdings ist er bei Angehörigen bereits wiederholt durch unsichere Fahrweisen aufgefallen und wurde insbesondere von seiner Ehefrau dazu aufgefordert, seinen Führerschein abzugeben. Dieser Rempler hätte die unangenehmen Diskussionen wieder anheizen können. Deshalb entschied sich der ältere Herr dazu, eine Unfallflucht vorzutäuschen.

Ich werde diese Reihe bei Gelegenheit fortsetzen und weitere Fallbeispiele zeigen, um euch Anhaltspunkte zum Erkennen von vorgetäuschten Unfallfluchten zu liefern.