Unfallfotografie

Einleitung :

In diesem Abschnitt soll die Unfallfotografie aufgezeigt werden, die sich in wesentlichen Bereichen von anderen Fotografierarten (Sport-, Portrait-, Landschaftsfotografie,...) unterscheidet. Vorausgesetzt wird, dass man sich mit "seiner" Kamera auskennt und die Grundlagen der Fototechnik beherrscht (dieser Abschnitt soll kein Fotolehrgang sein), da diese in einigen Bereichen der Unfallfotografie Anwendung findet. Grundsätzlich sollte ein Blendenwert von 8 oder höher verwendet werden, um die nötige Tiefenschärfe zu erreichen. Nur in Ausnahmefällen (bei Detailaufnahmen, bei denen die unwichtige Umgebung unscharf dargestellt werden soll) kann ein niedriger Blendenwert benutzt werden.

Kapitelübersicht:

Grundsätzliches :

  • Die ersten Fotos sollte man sofort nach Erreichen der Unfallstelle fertigen, da die Unfallstelle in der Anfangsphase starken Veränderungen unterliegt. Durch Rettungs- und Bergemaßnahmen werden oftmals Endlagen und Endstände verändert. Durch die ersten Fotoaufnahmen werden diese Veränderungen festgehalten und sind dadurch rekonstruierbar.

  • Die weiteren Fotoaufnahmen erfolgen erst, wenn die Spuren und Fahrzeugendstände markiert sind und die Rettungsfahrzeuge und andere unbeteiligten Fahrzeuge die Unfallstelle verlassen haben, um freie Sicht auf die Unfallstelle zu haben

  • Wichtig sind formatfüllende Aufnahmen, d. h. der Bildausschnitt ist so zu wählen, dass unwichtige Bereiche (Himmel, Randbereiche) nicht mit aufgenommen werden.

  • Lieber ein Foto mehr fertigen als eines zu wenig (ein Foto sagt mehr als tausend Worte) Bei der Vorgehensweise vor Ort hat sich bewährt, erst die Übersichtsaufnahmen zu fertigen und dann immer weiter ins Detail zu gehen. In dieser Reihenfolge werden auch nun die einzelnen Arbeitsschritte erläutert:

Übersichtsaufnahmen :

Übersichtsaufnahmen, wie der Name schon sagt, sollen eine Übersicht auf die Unfallstelle geben. Dabei geht man entgegen der Fahrtrichtungen der Unfallbeteiligten weit von der Unfallstelle zurück. Je nach Unfallhergang, z. B. bei Unfällen auf Autobahnen, Bundesstraße und Schnellstraßen, geht man dabei eventuell einige hundert Meter zurück, da sich bei den auf diesen Straßen gefahrenen Geschwindigkeiten der Reaktionszeitpunkt bereits weit vor der Unfallstelle liegt und hier bereits unfallrelevante Gegebenheiten vorliegen.

Ideal wäre, zuvor in dem Streckenabschnitt Leitkegel in einem Abstand von z. B. 5 oder 10 Meter (je nach Unfallstelle) aufzustellen, um auf den Fotos Referenzmaße zu haben und die Entfernung vom Aufnahmepunkt zur Unfallstelle zu dokumentieren.

Wichtig ist diese Vorgehensweise bei Unfällen im Nebel oder Dunst, um die Sichtweiten festzuhalten. Fahrbahnmarkierungen/ unterbrochene Mittelleitlinien dienen hierbei, soweit deren Maße bekannt sind, ebenfalls als Referenzmaße.

Man geht nun in Fahrtrichtung der beteiligten Fahrzeuge zur Unfallstelle zurück und macht in bestimmten Abständen Fotoaufnahmen, um den Annäherungsbereich mit Kurven, Steigungen und Sichtbehinderungen der Beteiligten zu dokumentieren.

Hierbei werden auch bedeutsame Verkehrszeichen (Geschwindigkeitsbeschränkungen, Überholverbote) mit aufgenommen, damit keiner der Beteiligten später sagen kann, das Verkehrszeichen sei verdeckt, verschmutz oder evtl. gar nicht vorhanden gewesen sein.

Bei Rotlichtverstößen sollte die Aufnahme in Richtung der Beteiligten in dem Moment erfolgen, wenn die Signalgeber der Lichtzeichenanlage ein Rotlichtsignal zeigen, damit auch hier die Beteiligten später sich nicht damit herausreden, die Signalgeber seien defekt oder verdeckt gewesen.

Bei Vorfahrt- und Vorrangverstößen sollte man jeweils in den Annäherungsbereich des anderen Unfallbeteiligten mit der Kamera hineinschwenken, um in etwa die Sicht der Beteiligten und eventuelle Sichtbehinderungen zu dokumentieren. Auch hier sind natürlich die vorfahrtregelnden Verkehrszeichen mit aufzunehmen.

Fahrzeugendstände :

Nach Fertigung der Übersichtaufnahmen beginnen wir, die Fahrzeugendstände und Endlagen fotografisch zu dokumentieren. Auf diesen Bildern sollten neben den Fahrzeugen auch Anhaltspunkte zur Festlegung der Position dieser Fahrzeuge innerhalb der Unfallstelle erkennbar sein, z.B. Bordsteinkante, Fahrbahnmarkierungen, Schachtdeckel oder ähnliches. Die Fotoaufnahmen werden aus verschiedenen Blickwinkeln gefertigt.

Beschädigungen und Deformationen :

Bei der fotografischen Dokumentation von Beschädigungen und Deformationen an Fahrzeugen ist folgendes zu beachten:

Die Aufnahmen erfolgen zur Fahrzeugfläche planparallel, das heißt die Kamera wird frontal auf die aufzunehmende Fahrzeugfläche (Fahrzeugfront, Fahrzeugheck, Fahrzeugseite) gehalten und die Fläche mit den Deformationen fotografiert.

Vor den Aufnahmen wird ein Zollstock (besser Geozollstock) waagerecht und ein Zollstock senkrecht vor die aufzunehmende Fläche gelegt bzw. gehalten, um dem Betrachter des Fotos (meist Sachverständige, die nachträglich anhand der Fotos Berechnungen anstellen müssen) einen Maßstab zur Verfügung zu stellen und ihm das Ausmaß der Deformationen und Stauchungen zu übermitteln.

Bei starken Deformationen, insbesondere in der Fahrzeugseite, muss die Eindringtiefe dokumentiert werden. Dazu wird ein langer Zollstock entlang der Fahrzeugseitenkante angelegt oder ein Klebeband über die unbeschädigten Fahrzeugflächen gespannt. Anschließend wird ein Zollstock waagerecht mit dem Nullpunkt in die tiefste Stelle der Deformation gehalten und der Schnittpunkt der Zollstöcke senkrecht zur Fahrzeugseite abfotografiert (eine Leiter ist hierbei sehr hilfreich, um auch stärkere Deformationen als Draufsicht in dieser Art und Weise abzulichten)

Bei Pkw-Fußgänger-Kollisionen und Pkw-Fahrrad-Kollisionen ist der Pkw wie folgt für die fotografische Dokumentation vorzubereiten:

1. die festgestellten Beschädigungen werden markiert. Dazu werden Pfeile als Aufkleber oder als Magnete verwendet. Dadurch werden auch schwacherkennbare und kleine Spuren/Beschädigungen kenntlich gemacht.

2. ein Bandmaß wird längs über die Fahrzeugkontur gelegt, wobei der Nullpunkt des Bandmaßes an der Fahrbahnoberfläche aufliegt.

3. ein Zollstock wird an der Motorhaubenoberkante unterhalb der Frontscheibe aufgelegt, wobei der Nullpunkt an der Fahrzeugaußenkante anliegt, aus der der Fußgänger bzw. Radfahrer sich der Kollisionsstelle angenähert hatte.

Wird die Fahrzeugfront eines so präparierten Fahrzeuges abfotografiert, haben wir den Beulenversatz und die Abwickellänge zusammen mit dem Beschädigungsbild fotografisch festgehalten.

Anschließend wird ein Zollstock mit dem Nullpunkt waagerecht in das Zentrum der gesplitterten Frontscheibe gehalten und ein zweiter Zollstock senkrecht an den Frontstoßfänger gehalten, wobei der Nullpunkt an der Fahrbahnoberfläche aufliegt. Nun wird von der Fahrzeugseite her planparallel der Frontbereich zusammen mit den Zollstöcken abfotografiert. Anhand dieser Fotos kann die Aufwurfweite dokumentiert werden.

Detailaufnahmen :

Bei bestimmten Unfallvorgängen, insbesondere bei Verkehrsunfallfluchten und Minimalanstößen, müssen Detailaufnahmen von der Schadensstelle gemacht werden. Hierbei ist ein Zollstock anzulegen, wobei der Nullpunkt in der Position auf die Fahrbahnoberfläche anliegen muss, in der die Kollision stattgefunden hat (z. B. wichtig, wenn die Fahrzeuge zur Seite gefahren wurden und nun schräg oberhalb der Bordsteinkante stehen). Höhenunterschiede treten auch durch Gewichtsveränderungen und Federentlastungen auf. Bei Detailaufnahmen sollte man die Blendenöffnung so groß wie möglich wählen (kleine Blendenwerte um 2,8 - 5,6), damit der unbedeutende Hintergrund unscharf abgebildet wird und das wichtige Detail in den Vordergrund der Aufnahme tritt.

Häufig wird der Fehler begangen, dass man sich bei schweren Verkehrsunfällen auf die starken Beschädigungen konzentriert und nur diese fotografiert. Bei Unfällen, die ihre Ursache z. B. durch eine leichte seitliche Berührung infolge eines Fehlers beim Fahrstreifenwechsel haben, ist gerade das Spurenbild dieser leichten Berührung von großer Bedeutung und sollte detailliert dokumentiert werden.

Kollisionspositionen :

Insbesondere bei Pkw-Fahrrad-Kollisionen bietet es sich an, die beiden beteiligten Fahrzeuge in ihre ungefähren Kollisionspositionen zueinander zu fotografieren und korrespondierende Spuren hierdurch zu dokumentieren.

Spuren auf der Fahrbahn :

Zusammenhängende Spuren auf der Fahrbahn können auf Übersichtsaufnahmen erfasst werden. Diese sind vor den Aufnahmen mit Kreide markiert und durch Spurentafeln oder Kreideziffern nummeriert worden. Von wichtigen Spuren auf der Fahrbahn werden Detailaufnahmen gemacht.

Bitte daran denken, dass sich unterhalb der Fahrzeugendstände ebenfalls Spuren befinden können und diese nachträglich, nach dem Entfernen der Fahrzeuge, markiert und fotografiert werden müssen.

Diese Aufnahmen helfen, nachträglich den Unfallhergang zu rekonstruieren. Dadurch kann es auch möglich sein, unterschiedliche Aussagen von Unfallgegnern richtig zu stellen. Denn in dem Schockzustand, in dem sich ein Mensch nach Unfall befindet, ist es ihm oft nicht möglich, eine objektive Wiedergabe des Unfallhergangs zu schildern. Auch kann man anhand der Autoteile, die während des Unfalls beschädigt wurden, den Unfallhergang rekonstruieren. Daher ist bei einem Unfall jedes kleinste Detail wichtig und erwähnenswert und sollte in jedem Fall dokumentiert werden.

Ich habe mir angewöhnt, wenn keine photogrammetrische Spurenerfassung erfolgt, vor den Fotoaufnahmen mit Kreide die wichtigsten Längen- und Breitenmaße nach dem Rechtwinkel-Messverfahren neben den Spuren und anderen wichtigen Positionen auf die Fahrbahn zu schreiben, so dass bereits auf den Bildern ein Koordinatensystem erfasst wird.

Spurenerweiterung durch Blitzlichtaufhellung:

Manchmal begegnet einem bei der Unfallfotografie das Phänomen der Blitzlichtaufhellung.

Zur Erklärung: während der Spurensuche unter ungünstigen Lichtverhältnissen kann es vorkommen, dass man vorhandene, sehr schwach ausgebildete Spuren (insbesondere Radier- und Schleuderspuren) nicht erkennt oder den tatsächlichen Beginn von Brems- / Blockierspuren nicht exakt eingrenzen kann, so dass die Spurenlängen zu kurz abgegeben werden. Werden Fotos von der Unfallstelle und den Spuren mit Blitzlicht gefertigt, so sind später auf den Bildern durch die Blitzlichtaufhellung diese Spuren plötzlich zu erkennen. Ist eine solche, durch Blitzlichtaufhellung resultierende Spurenerweiterung zu erwarten, dann sollte z. B. bei Brems- / Blockierspuren ein Geozollstock an den für uns erkennbaren Beginn gelegt werden. Durch dieses Verfahren kann man die auf den Fotos erkennbaren Bremsspurverlängerungen ablesen und nachträglich mit aufnehmen.

Auf diesem Foto ist zu erkennen, dass die linke Brems- / Blockierspur tatsächlich eher beginnt, als man vor Ort ohne die Blitzlichtaufhellung sehen konnte. Durch den Geozollstock kann nachträglich die fehlende Länge abgelesen werden.

Sicht und Blickwinkel des Fahrzeugführers :

Bei einigen Unfällen ist es notwendig, die Sicht des Fahrzeugführers (evtl. vom Fahrersitz aus) zu dokumentieren. Diese Aufnahmen bieten sich in der Regel an, wenn die Frontscheibe zerkratzt oder witterungsbedingt vereist bzw. beschlagen ist. Des Weiteren sind diese Aufnahmen wichtig bei Verkehrsunfällen, bei denen Lkw-Führer beim Abbiegen Radfahrer oder Fußgänger übersehen haben, so dass z. B. die Einstellungen der Außenspiegel dokumentiert werden müssen.

Aufnahmen bei Dunkelheit :

Bei Dunkelheit werden Fotoaufnahmen üblicherweise durch Blitzlicht aufgehellt. Hierbei ergeben sich jedoch folgende Probleme:

- das Blitzlicht erreicht nur, je nach Leitzahl des Blitzlichtgeräts, dem Zustand der Batterien und der Witterungsbedingungen, eine gewisse Reichweite und lässt dann merklich nach. Auf dem Bildern ist dann nur der vordere Bereich der Unfallstelle aufgeleuchtet; der Hintergrund verschwindet in der Dunkelheit,

- Reflektierende Gegenstände und Flächen (Verkehrszeichen, Warnwesten, Scheiben) beeinflussen die Technik der Kamera und des Blitzlichtes, so dass die Fotoaufnahmen dadurch unterbelichtet werden

- Regen, Schnee und Nebel wirken sich ebenfalls negativ auf die Blitzlichtaufnahme aus und machen sich als helle Striche und Schleier bemerkbar

Um diesen Problemen entgegenzuwirken sollte man dazu übergehen, die Kamera auf ein Stativ zu stellen und Fotoaufnahmen mit Langzeitbelichtung zu fertigen. Dazu wird die Kamera auf Programmautomatik oder Verschlusszeitautomatik mit voreingestellter Blende von 8 bis 16 eingestellt. Drückt man nun den Auslöser, bleibt der Verschluss solange geöffnet, bis das Kameraprogramm der Meinung ist, dass die Aufnahme ausreichend belichtet ist. Wer der Kameraautomatik nicht traut, erreicht mit folgender Einstellung gute Ergebnisse: Blende 8, Focus 10 Meter, Verschlusszeit 10 Sekunden. Um Verwacklungen zu verhindern, kann auch ein Fernauslöser benutzt werden (aber es geht auch ohne). Voraussetzung für die Langzeitbelichtung ist das Vorhandensein von externen Lichtquellen (Straßenbeleuchtung, Fahrzeugscheinwerfer), die die Unfallszenerie ausleuchten.

Diese Aufnahmetechnik bietet Vorteile, die sich wie folgt auf den Aufnahmen bemerkbar machen:

- die Unfallörtlichkeit, insbesondere der Straßenverlauf, ist durchgehend auch im Hintergrund ausgeleuchtet

- Reflektierende Flächen beeinflussen nicht die Kameratechnik

- Regentropfen und Schneeflocken werden nicht mit aufgenommen

- bewegte Objekte (vorbeifahrende Fahrzeuge oder durch die Unfallstelle gehende Personen) werden nicht oder nur verschwommen erfasst und stören somit nicht in der Aufnahme

- die Aufnahmen geben die Lichtverhältnisse und evtl. Störreflektionen wirklichkeitsnaher wieder als Blitzlichtaufnahmen

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